Warum lutherisch?

April 17th, 2020

Zum Jubiläum unserer Siegener Kirchengemeinde habe ich versucht zu beschreiben, was uns als Lutheraner ausmacht: Warum lutherisch?

Gott ist anders

Im Januar 1961 forderte John F. Kennedy seine Landsleute auf: fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt. Im Verhältnis zu Gott ist es genau umgekehrt: Gott hat schon alles getan, was für uns und unser Leben notwenig ist. Wir sollen und können dem nichts mehr hinzufügen (sola gratia). Gott schenkt es uns und fordert uns auf, es anzunehmen und täglich zu gebrauchen. Damit sind wir befreit von aller Existenzangst und jeder Art des Rechtfertigungsdrucks. Wir können als Beschenkte leben und auch unseren Freunden und Nachbarn, ja sogar unseren Feinden davon abgeben.

“Führe mich, o Herr, und leite
meinen Gang nach deinem Wort;
sei und bleibe du auch heute
mein Beschützer und mein Hort.
Nirgends als von dir allein
kann ich recht bewahret sein.”

Ich kannte diese Zeilen früher nur als Gebet. Sie stammen aus dem lutherischen Kirchenlied “Gott des Himmels und der Erden“ von Heinrich Albert. Gedanklich und teilweise wörtlich folgt Albert dem Morgensegen Luthers:

“Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast; und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, dass dir all mein Tun und Leben gefalle. denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde. Amen.”

Gott und sein Wirken stehen im Mittelpunkt

Das ist fast schon eine Zusammenfassung lutherischer Frömmigkeit: Gott und sein Wirken stehen im Mittelpunkt, nicht der Mensch und sein Wollen, und weil Gott sich uns in Christus vollkommen offenbart hat, können wir jederzeit zu ihm kommen, alles von ihm erbitten und alles von ihm erwarten. Es bedarf keiner Mittler und keines moralischen Kredits. Kein Ansehen, Amt oder Studienabschluss sind maßgeblich, sondern allein Christus (solus Christus).

Christen sind wir nur, wenn wir uns auf Christus gründen und ihn im Glauben als unseren Herrn und Heiland annehmen (sola fide).

Kirchturm der Siegener St.-Christophorus-Kirche

Gott und das Leben der Kirche

“Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde” – Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms (1521)

Unser Wissen über Christus stammt im Wesentlichen aus der Bibel, deshalb kann auch nur die Bibel Maßstab kirchlichen Lebens und theologischen Denkens sein (sola scriptura). Aber seit langem schon hat sich in der Theologie und im Alltag vieler Kirchen ein ganz anderer Umgang mit der Bibel als Heiliger Schrift etabliert: man versucht durch formale Kriterien Aussagen über Autoren, Motive und letztlich Gott selbst zu treffen. So wird datiert, theoretisiert, es werden Quellen geschieden und nach kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen erforscht. Damit rückt man immer weiter ab vom Offenbarungsgehalt der Heiligen Schrift und versteht sie fast nur noch als Sammlung von Glaubenszeugnissen Einzelner oder verschiedenartiger Gemeinschaften in ihren jeweiligen Epochen. Im völligen Gegensatz dazu geht man im in der lutherischen Theologie vom geistgewirkten Inhalt der biblischen Bücher aus, erkennt ihren Offenbarungscharakter an und versucht Aussagen über Autoren, Gott und das Leben der Kirche vom Inhalt der biblischen Bücher her zu formulieren. In einer seiner Tischreden sagte Martin Luther: “Die Heilige Schrift ist das Höchste, es ist ein göttliches Buch, voller Trost in allen Anfechtungen.” Für uns gilt das noch heute.

Warum also lutherisch?

Wir Lutheraner sind keine Farbtupfer auf der bunten Palette monotheistischer Glaubensgemeinschaften, sondern, ein historisch gewachsener Zweig der heiligen, christlichen Kirche, in der das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden (Augsburger Konfession, Artikel 7). Als Lutheraner bin ich wahrhaft katholisch, ohne evangelisches Erbe verleugnen zu müssen.

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